Die Signatur der Sphären. Von der Ordnung im Sonnensystem
Buchmessen sind dazu da, alte Bekannte zu treffen, neue Kontakte zu knüpfen und vor allem auf neue Themen zu stoßen, die eine Beschäftigung wert sind. Die beiden großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig verschlucken die kleinen Idealisten, die es sich nicht nehmen lassen, ihre kritische Stimme zu erheben. Letztes bzw. dieses Jahr war ich auf drei verschiedenen Messen, wobei an Kontakten und Atmosphäre mir die Minipressen-Messe in Mainz am meisten einbrachte.
Dort traf ich auch einen Naturwissenschaftler, hauptberuflich als Ingenieur tätig, der ein von mir erst zaghaft beschrittenes Gebiet mit souveräner Stärke bereits einige Jahre seines Lebens beackert hat. Hartmut Warm, Eigentümer des Keplerstern-Verlags aus Hamburg, referierte im Rahmen der Messe über sein besonders in Fachkreisen hoch gelobtes Buch Die Signatur der Sphären. Ich selbst hatte mich vorgängig mit Johannes Keplers Weltharmonik beschäftigt, mit Hans Kaysers harmonikalen Forschungen und der altgriechischen, pythagoräischen Tradition der Kosmogonie.
Nun stieß ich im Mai 2003 aber auf einen ‚Hobby-Astronomen‘, der es sich herausnahm, mit Hilfe mathematischer Berechnungen die sinnhafte Anordnung unseres Sonnensystems zu beweisen. Nebenbei zitiert er u.a. noch Dante, Goethe, Thomas Mann und Platon. Er kann, was man im heutigen naturwissenschaftlichen Betrieb kaum glauben kann (Von einem Querdenker wie Rupert Sheldrake mal abgesehen.), stilistisch schön schreiben; erinnert mich unweigerlich an alte Größen wie Newton oder eben Kepler, dessen drei Planetengesetze er verständlich darstellt.
Das Buch ist anspruchsvoll, das gewiß. Ich benötigte, natürlich neben anderen Projekten, ein ganzes Jahr, halbwegs durchzukommen, denn eines muß man sich dafür sicherlich nehmen: Zeit und Muße. Nicht, daß sich Warm in mathematischen Abstrakta verliert, aber das Werk greift nicht einfach schon Vorhandenes auf und bereitet es dem hungrigen Lesermaul zu. Hier wird Grundlagenforschung im besten Sinne des Wortes geleistet.
“Vor einigen Jahren begann ich mir die Frage zu stellen, was wir mit Hilfe der wissenschaftlichen Methoden wirklich erkannt haben. Damit ist nicht die Entdeckung der Gesetzmäßigkeiten gemeint, die uns ermöglichen, chemische Stoffe zu Reaktionen zu zwingen oder technische Apparaturen zu bauen, sondern was wir über die Entstehung des Weltalls, den Aufbau von Strukturen wie unser Sonnensytem, die Herkunft des Lebens und seine Entwicklung hin zum menschlichen Bewußtsein herausgefunden haben. Im Laufe der Zeit kam ich zu einer vorläufigen persönlichen Einschätzung über einige der Theorien, die in den verschiedenen Bereichen aus den Entdeckungen der Forscher hervorgegangen sind. Eine meiner Grundannahmen bei diesem Studium resultierte aus meiner Zuneigung zur Musik und der vorherigen Beschäftigung mit der Geschichte der Musiktheorie. Schon dabei war ich auf die uralte Vorstellung einer harmonischen Geordnetheit der himmlischen, d.h. auch in diesem Fall der planetarischen Bewegungen gestoßen. Diese setzte ich als gegeben voraus, bis mir klar wurde, daß ich in Wirklichkeit nichts darüber wußte. So begann ich zunächst in der Literatur zu suchen, was über diesen Gegenstand tatsächlich bekannt ist. Auf einen etwas vereinfachten Nenner gebracht, fand ich Befürworter der Himmelsharmonien, meist Geisteswissenschaftler im weitesten Sinne, und andere, die sie als reine Phantasie bezeichnen und die in der Regel dem naturwissenschaftlichen Lager zuzuordnen sind. Eine gründliche und gleichzeitig astronomisch und mathematisch fundierte Behandlung des Themas konnte ich jedoch nicht finden, weder aus der einen noch aus der anderen Warte.” (S. 8-9)
Man verzeihe mir das ausführliche Zitat, doch müßte deutlich geworden sein, daß der Autor ein neugieriger Forscher ist, der sich nicht um Schranken kümmert, sondern sein eigenes Arbeiten an der jeweiligen Notwendigkeit mißt. Am Anfang jeder wissenschaftlichen Forschung steht eine Frage. Hinzu kommen nach und nach neue Hinweise, stellenweise auch Irrtümer, die den weiteren Weg vorzeichnen. Warm reflektiert seinen Weg zu seinen Erkenntnissen, setzt dabei aber einen synergetischen Wissenschaftsbegriff voraus und das macht das Buch auch für Laien-Astronomen ansprechend.
Für die absoluten ‚Fanatiker‘ gibt es dann auch noch einen gesonderten Anhang, wo die Rechnungen in extenso aufgeführt sind. Im Buch finden sich aber durchweg mythologische Anspielungen, wobei der Autor keine Abwege begeht, sondern an seinem thematischen Faden festhält. Es bleibt dem Leser überlassen, die astronomischen, geometrischen, arithmetischen und algebraischen Erkenntnisse für sich zu deuten.
Das Buch ist für Esoteriker und Magier nicht minder anregend, denn es kann nie schaden, Grundlagenwissen zu erwerben, das für den eigenen Weg von Bedeutung ist. Wenn Crowley davon spricht, daß jeder Mann und jede Frau ein Stern ist, dann stellt sich die Frage: Wie entsteht denn ein Stern in den Tiefen des Alls? Wie halten sich Sterne oder Planeten auf ihrer Bahn, ohne aufeinanderzukrachen? Friedrich Hölderlin spricht in Bezug auf seinen Roman Hyperion von der “exzentrischen Bahn des Dichters/ des Menschen”. Der Mensch muß ebenso seine Bahn bestimmen, ins Zentrum oder in die Außenbezirke …
Dominik Irtenkauf
in Der Golem, Ausgabe 16, 2004