Erziehungskunst – Zeitschrift zur Pädagogik Rudolf Steiners 1-2004

Sebastian von Verschuer
in Erziehungskunst

Sphären-Signatur

Der Anblick des nächtlichen Sternenhimmels kann neben dem Gefühl von Ehrfurcht auch die Frage wecken: Gibt es einen harmonischen Zusammenklang dieser Sternenvielfalt? – eine Frage, um die schon Johannes Kepler gerungen hat. Die moderne Astrophysik bildet Theorien über die Entwicklung von Sonnensystemen, von Milchstraßen, Kosmologien, aber die Einzelheiten unseres Sonnen- und Planetensystems ergeben dabei kein harmonisches zusammenhängendes Bild. Dabei leben wir hier auf der Erde in den Rhythmen von Sonne und Mond, auch in den Rhythmen der Planeten. Welche Harmonie durchdringt möglicherweise diese uns am nächsten liegenden Himmelsgebiete? Was können wir von dieser Harmonie einsehen, erleben und verstehen? Für Johannes Kepler war es das höchste Ziel, musikalische und geometrische Gesetzmäßigkeiten in den Verhältnissen der Planetenbahnen und Geschwindigkeiten zu entdecken. Sie lassen sich durch Verhältnisse kleiner Zahlen ausdrücken: Beispielsweise steht 3:2 für die Quint, 4:3 für die Quart usw.

Eine ausführliche Darstellung und Würdigung der Keplerschen Bemühungen um die Sphärenharmonie liegt mit dem für Laien verständlichen und auf modernen Wissensstand gebrachten Buch vor. Es ist aber nur der Ausgangspunkt von Hartmut Warms Forschung: Unter Zuhilfenahme einer Vielzahl am PC durchgeführter Berechnungen, die die Stellung und Geschwindigkeit der Planeten für Jahrtausende mit höchster Genauigkeit zu berechnen erlauben, konnte er nachweisen, dass ein per Zufallsgenerator erfundenes Planetensystem zwar auch harmonikale Strukturen aufweisen würde, aber längst nicht in der Dichte und Übereinstimmung, die das bestehende Planetensystem zeigt. Natürlich wurden dabei auch die Johannes Kepler noch unbekannten Planeten Uranus, Neptun und Pluto mit berücksichtigt. Ist diese profunde Untersuchung auf den ersten 100 Seiten des Buches schon eine tiefe Genugtuung für den kritisch-wissenschaftlich fragenden Freund der Sphärenharmonie, so öffnet die weitere Untersuchung der Rhythmen von Konjunktionen unterschiedlicher Planeten eine zweite Annäherung an ein Verständnis versteckter Harmonien, die durch graphische Verfahren wieder mit Hilfe des PC anschaulich gemacht werden. Wer das Buch „Die Rhythmen der Sterne“ von Joachim Schultz kennt, findet sich an dessen Zeichnungen erinnert, welche die von der Erde aus zu beobachtenden Schleifenbewegungen der Planeten mit ihren Perioden über mehrere Jahre hin verdeutlichen. Hartmut Warm geht ganz systematisch vor und verbindet z.B. Bahnpunkte der Venus, die sie alle 19 Monate in Konjunktion zur Erde einnimmt, wobei im Laufe von acht Jahren fünf Positionen am Himmel dadurch hervorgehoben sind, dass sie fast genau ein Pentagramm bilden. Er schreibt dazu: “Ich finde es schade, um nicht zu sagen traurig, dass so gut wie niemand davon weiß. Die Fachliteratur schweigt sich komplett darüber aus, in welch einer außergewöhnlichen Beziehung wir mit unserem Nachbarplaneten leben. Nur in einigen mehr oder weniger anthroposophisch orientierten Veröffentlichungen konnte ich das Pentagramma veneris, wie es aber schon im Mittelalter benannt worden ist, wiederfinden.”

Er untersucht die Venus mit ihrer eigentümlich langsamen Eigenrotation (eine Venusdrehung braucht 243 Erdentage) noch eingehender und findet auch dann einen in den Himmel gezeichneten Fünfstern, wenn man die Orte ihrer Bahn verbindet, in denen wir von der Erde aus auf eine wiederkehrend gleiche Region der Venus schauen, den sog. Venus-Erde-Blicken. Mit diesem Verfahren untersucht Hartmut Warm auch die anderen Planeten und findet dabei in den Kosmos hineingezeichnete Sternenformen, die in vielen, zum Teil farbigen Abbildungen zum Betrachten und Nachdenken anregen. Lassen sich in dieser Vielfalt überhaupt noch Gesetzmäßigkeiten finden? Hartmut Warm versucht in zusammenfassender Darstellung ins Bild zu setzen, wie zwischen verschiedenen Planeten Verhältnisse von kleinen Zahlen von 2 bis 12 auftreten. Es gibt auch Abbildungen, in welcher Art die Planetensphären als Dreiecke, Quadrate oder Kreise ineinanderzuschachteln sind.

Wer es schließlich in Bezug auf Harmonie der Tonleiter und Intervalle wie auch der Sternfiguren und der astronomischen Einzeldaten ganz genau wissen will, für den sind 100 Seiten Anhang verfaßt. Insgesamt ein Buch, das nicht nur für Sternenfreunde im engeren Sinne, sondern auch für alle, die über die Harmonien des Kosmos nachdenken, eine Fundgrube darstellt.

Sebastian von Verschuer
in Erziehungskunst, Januar 2004